- Seit einigen Jahrzehnten wird besonders in den USA,
aber auch in Deutschland über sogenannte Nah-Todeserfahrungen, also
Erfahrungen von Menschen an der Schwelle des Todes, berichtet. Dabei
wird beschrieben, was klinisch tote Patienten, die reanimiert wurden,
oder Menschen, die Momente der Todesangst durchlebten, in tatsächlicher oder vermeintlicher Todesnähe erlebten. Von
verschiedenen Autoren werden Elemente eines Standarderlebnisses
beschrieben, die im Normalfall mehr oder weniger intensiv wahrgenommen
werden. Dazu gehören unter anderem das Bewußtsein, „tot“ zu
sein, ein Tunnel, den die Seele des „Toten“ durchfliegt sowie ein
überaus helles, aber nicht blendendes Licht oder auch Lichtwesen, das
dem „Verstorbenen“ einen Lebensfilm bzw. eine Lebensrückschau
vorführt, in dem er seine irdischen Taten, Worte und Gedanken von
neuem erlebt und aus einer anscheinend „objektiven“ Perspektive unter
ethischen bzw. religiösen Motiven bewerten muß. Diese führt fast
immer zu einer bewußteren und sozialeren Lebenseinstellung des
Betroffenen, der im Angesicht des Todes erfährt, daß die Liebe, die
man seinen Mitmenschen auf dieser Erde entgegengebracht hat, das
entscheidende Kriterium für die Bewertung eines Menschenlebens sei, während
materielle Dinge, Ruhm oder ähnliches völlig bedeutungslos oder
negativ erscheinen.
- Von einigen Autoren wird der Eindruck erweckt, als
sei der Sterbeprozeß nur der Anfang eines viel besseren Lebens im
Jenseits, verglichen mit einem Schmetterling, der aus einem Kokon schlüpft.
Dabei wird offensichtlich die christliche Lehre über ein Leben nach
dem Tod mit der Evolutionstheorie Darwins verknüpft; das Gericht
Gottes wird jedoch zu einer vorübergehenden, wenn auch zum Teil
schmerzlichen Bewertung der eigenen Taten reduziert. Manche Autoren
erwecken den Eindruck, als wären alle Sterbeerlebnisse im Grunde schön
bzw. positiv, während andere auch von negativen Erfahrungen, die von
äußerster Dunkelheit, extremer Hitze oder Kälte, haßerfüllten Dämonen
und panischer Angst geprägt sind, berichten.
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- Liest man Literatur zu diesem Thema, so kann man im
Prinzip zwischen Nah-Todesforschern (Thanatologen), welche Nah-
Todeserfahrungen (engl. Near-Death-Experiences, NDE’s) verschiedener
Menschen gegenüberstellen und vergleichen, und anderen Autoren, die
ihre eigene Erfahrung ausführlich beschreiben, unterscheiden.
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- Im folgenden sollen einige Elemente von typischen
westlichen Nahtodeserfahrungen aufgelistet werden:
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- - Der (oder die) Betreffende gelangt außerhalb
seines Körpers und hat das Bewußtsein, „tot“ zu sein.
- - Er hört die Worte der
Zurückgebliebenen und nimmt manchmal sogar deren
Gedanken wahr und kann sich nach dem Erlebnis noch daran erinnern. Er
hört, daß die Ärzte ihn für tot erklären.
- - Oft kann er durch die Wände des Krankenhauses
hindurch große Distanzen im Nu überqueren und in Sekundenschnelle
seine Verwandten zu Hause besuchen. Dort nimmt er alle Einzelheiten
intensiv wahr, während er selber unentdeckt bleibt.
- - Es öffnet sich ein Tunnel, in den er hineingesogen
wird. Dabei hört er oft ein unangenehmes Geräusch.
- - Am Ende des Tunnels erscheint ihm ein überirdisch
helles Licht oder Lichtwesen, das ihn bedingungslos annimmt. Manchmal
wird er statt von dem Lichtwesen, das er oft als Gott, Jesus oder eine
andere religiöse Gestalt identifiziert, auch von Verwandten oder
Bekannten in Empfang genommen.
- - Er muß sein Leben, und zwar seine gesamten Taten,
Worte und Gedanken und manchmal auch deren Auswirkungen unter dem
Gesichtspunkt der Nächstenliebe beurteilen.
- - Er gelangt an eine Grenze, die er nicht überschreiten
kann. Manchmal kann er sich entscheiden, ob er ins Leben zurück will,
was er oft zum Beispiel aus Liebe zu seinen Kindern tut. In anderen Fällen
würde er gerne für immer im Jenseits bleiben, muß aber dennoch zurück.
- - Er verbindet sich mit einem Ruck wieder mit seinem
kalten Körper, den er als sehr unangenehm und schmerzhaft empfindet.
- - Die Erfahrungen, die er im „Jenseits“ gemacht
hat, sind oft unaussprechlich; er kann seine Eindrücke nicht in Worte
fassen.
- - Bei dem Versuch, den Ärzten oder seinen Angehörigen
von seinem Erlebnis zu erzählen, trifft er oft auf
völliges Unverständnis.
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- Vereinzelt wird auch von folgenden Begebenheiten
berichtet:
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- - Blinde können im Zustand des klinischen Todes
wieder sehen; sie nehmen die Krankenhauseinrichtung und auch Dinge außerhalb
des Krankenhauses deutlich war und können sie hinterher (fast) immer
zutreffend beschreiben.
- - Manche Personen erfahren
Zukunftsprophezeiungen,
die sich manchmal vollständig - manchmal aber auch nur teilweise
erfüllen, obwohl sich der Betreffende seiner Sache sicher ist.
- - Einige Personen berichten von einer bleibenden überdurchschnittlichen
Intuition und manchmal sogar von telepathischen Fähigkeiten, ferner
geben sie an, daß sie Täuschungen anderer rasch durchschauen.
- - Die sogenannten „Experiencer“ können manchmal
keine elektronischen Armbanduhren mehr tragen, da diese kaputt gehen.
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- Zu erwähnen ist, daß Menschen mit einem
fehlgeschlagenen Selbstmordversuch und einem Nah- Todeserlebnis fast
immer mit der fundamentalen Auffassung zurückkommen, daß Selbstmord
keine Lösung ist. Sie sehen wieder einen neuen Sinn in ihrem Leben
und begehen so gut wie nie wieder einen Suizidversuch. Allerdings
behaupten manche, daß kein Selbstmörder selig werde, andere
behaupten, alle Menschen würden nach dem Tod erlöst. Kriminelle hören
oft auf, straffällig zu werden; sogar Drogensüchtige schaffen es überdurchschnittlich
oft, von ihren Drogen loszukommen.
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- Neben den oben beschriebenen Gemeinsamkeiten gibt es
jedoch auch - teilweise gravierende - Unterschiede:
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- - Nicht alle Menschen mit einer Nah-Todeserfahrung
erleben diese als positiv. Manche beschreiben z.B. anstatt des
Tunnels, der zu einem hellen Licht führt, einen dunklen Gang in eine
pechschwarze Finsternis oder Höhlen mit Feuer und satanischen Wesen,
die in einer unbekannten Sprache reden und die Seele des Gestorbenen
in Empfang nehmen. Der Betreffende hat panische Angst, für immer an
diesem Ort bleiben zu müssen. Er schreit um Hilfe und wird durch ein
Eingreifen Gottes, von Jesus oder auf andere Weise wieder ins Leben
zurückgeholt. Menschen mit derartigen höllischen Erfahrungen neigen
jedoch offenbar eher dazu, diese zu vergessen oder zu verdrängen und
haben verständlicherweise noch viel größere Probleme, mit anderen
darüber zu reden, als Menschen mit schönen Erfahrungen.
- - Manche Personen berichten von einem Rad der
Wiedergeburt oder ähnlichem und bezeichnen das Leben nach dem Tod als
nicht ewig.
- - Ein Mann berichtet davon, daß er sich nach der
Lebensrückschau frei entscheiden konnte, ob er im Jenseits bleiben
wolle oder nicht. Obwohl er dort bleiben wollte, mußte er zurück.
Dazu kommt, daß er im Jenseits nach eigenen Angaben jegliche Täuschung
erkennen konnte und auch nach seiner Rückkehr Täuschungen angeblich
stets durchschaute.
- - Menschen aus anderen Kulturkreisen berichten zum
Teil von völlig andersartigen Erfahrungen. So wurde ein
„gestorbener“ Inder beispielsweise von „Botschaftern“
abgeholt, die ihn vor einen Totenkönig brachten. Dort wurden ihm die
Beine amputiert, damit er nicht weglaufen konnte. Es stellte sich
jedoch heraus, daß er einer Verwechslung zum Opfer gefallen war und
nach dem Wiederanfügen seiner Beine wurde er zurückgebracht. Nach
der Rückkehr ins Leben sah man an den Beinen Schnittstellen. In der
darauffolgenden Nacht starb ein anderer Inder aus einem Nachbarort,
mit dem der zuerst „Gestorbene“ verwechselt worden war.
- - Historische Erlebnisse weichen oft stark von
zeitgenössischen Berichten ab. So erzählt Plato in „Der Staat“ (Politeia)
von einem gefallenen Soldaten, der ins Leben zurückkehrte und von
antiken Jenseitsbildern berichtete. Jeder Mensch wähle demnach vor
der Geburt sein Schicksal, müsse dann aber aus dem Fluß des
Vergessens (Lethe) trinken und vergesse in diesem Leben alles, was er
im Jenseits erfahren habe. Nach dem Tod werde sein Leben beurteilt und
er verbringe eine Zeit im Jenseits, bis er wiedergeboren werde usw. Im
Mittelalter sahen die „Verstorbenen“ keinen Lebensfilm, sondern
ein Engel las ihnen aus einem Buch ihre Taten vor. In unserer Zeit
soll diese Rolle sogar schon einmal ein Computer übernommen haben.
- - Legen diese Tatsachen die Vermutung nahe, daß
Sterbeerlebnisse durch kulturelle Bilder geprägt werden, so berichten
einige Personen, daß sie genau das, was sie erwarteten, nicht
erlebten. Anstatt einer herrlichen Stadt mit zwölf Toren, die sie
nach der Beschreibung in der Offenbarung des Johannes erwarteten,
sahen sie nur ihren toten Körper und waren enttäuscht.
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- Aus all dem ersieht man, daß Sterbevisionen sehr
vielschichtig sind. Sie hinterlassen stets einen nachhaltigen Eindruck
bei den Betroffenen und beeinflussen deren Leben oft entscheidend.
Allerdings gibt es auch erhebliche Widersprüche unter den Berichten
solcher Menschen. Man kann daher derartige Erfahrungen nicht
objektivieren und davon ausgehen, daß man selbst nach dem Tod etwas
Identisches erleben wird. Bemerkenswert ist jedoch, daß sich derartige
Visionen - zumindest in unserem Kulturkreis - offenbar mit dem
biblischen Gebot der Nächstenliebe decken. Auf die Frage, ob gute
Werke oder der Glaube eines Menschen bei seiner Beurteilung im
Jenseits die entscheidende Rolle spielt, geben Nahtodeserfahrungen
keine einheitliche Antwort, meist wird jedoch die Liebe als
entscheidend angesehen, auch wird betont, daß man möglichst viel
lernen soll! Auch kann aus diesen Erfahrungen nicht zwingend abgeleitet werden, ob die Mehrheit der Menschen nach dem Tod erlöst
wird oder nicht, da z.B. zu vermuten ist, daß Menschen mit negativen
Erfahrungen in jedem Fall zurückkehren, wenn sie die Möglichkeit
dazu haben, während Menschen mit paradiesischen Erfahrungen unter
Umständen bleiben wollen. Es kann jedoch keinerlei Aussage darüber
getroffen werden, wie viele Personen mit positiven oder negativen
Erfahrungen eine derartige Entscheidungsmöglichkeit haben. Auch ist
nicht bekannt, wie viele Personen über derartige Erfahrungen sprechen.
- Die Tatsachen, daß sogar Drogensüchtige solche
Erfahrungen klar von Drogenreaktionen unterscheiden können, und daß
Blinde überprüfbare optische Wahrnehmungen in diesem Zustand haben können
zeigen, daß dieses Phänomen offenbar nicht einfach mit biochemischen
Reaktionen innerhalb des menschlichen Gehirns erklärt werden kann.
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- Die vorhergehenden Informationen habe ich aus ca.
10-15 Büchern über Nah-Todeserfahrungen sowie ca. 20-30
Fachzeitschriftenartikeln (in der Regel „anabiosis“ bzw.
„Journal of Near-Death Studies“) entnommen. Einige der Buchautoren
sind Dr. Raymond Moody, Dr. Elisabeth Kübler-Ross, Dr. Melvin Morse,
Dr. Kenneth Ring, Dr. Carol Zaleski und Dr. Maurice Rawlings. Ich distanziere
mich jedoch ausdrücklich von allen esoterischen bzw. unchristlichen
Aussagen obiger Autoren, von denen sich nur Rawlings zum christlichen
Glauben bekennt.
Die Bewertung von Nahtodeserfahrungen ist für mich
schwierig. Ich bin sicher, daß sie auf jeden Fall "echt" sind im
Sinne von übernatürlich und daß nicht alles rein chemisch / medizinisch
erklärbar ist!
- Eine Gefahr dieser Erlebnisse besteht darin, daß
man meinen könnte, nach dem Tod "automatisch" in den Himmel
zu kommen. Außerdem rufen manche Sterbeerlebnisse zu Kontakt
mit Verstorbenen, also Spiritismus auf. Auch steht in 2. Korinther 11,14
daß der Teufel sich
als "Engel des Lichts" verstellen kann. Zudem neigen manche Nahtodesforscher dazu,
sich immer mehr in die Esoterik zu verstricken.
- Allerdings habe ich auch
von Menschen gehört, die derartige Erfahrungen gemacht haben und
dabei in ihrem christlichen Glauben bestärkt wurden bzw. erst zu Jesus
fanden. Insofern scheint es sowohl Nahtodeserfahrungen zu geben, die
von Gott sind, als auch welche, die vom Teufel sind.
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- Martin Wagner, letzte Änderung am 16.1.2017
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Anmerkung vom 19.10.2010: Es gibt Forschungsergebnisse,
die darauf hindeuten, daß selbst Tiere
eine Nahtodeserfahrung haben könnten.
16.1.2017: Kein
Paradies: IS-Kämpfer wird nach Nahtodeserfahrung Christ
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