Immer wieder wird in unserer Gesellschaft zu mehr Toleranz
aufgerufen. Andersdenkende sollen in ihrer Würde geachtet und nicht
diskriminiert werden. Das ist sicher eine wichtige Tugend, und wenn es um
Behinderte, Asylbewerber, Menschen mit anderer Hautfarbe usw. geht dann ist es wichtig, daß man
von Toleranz schon in den Schulen erfährt. Von der Kommunistin Rosa
Luxemburg stammt der Satz: "Freiheit ist auch die Freiheit des
Andersdenkenden!" Auf meiner Kabarett-CD
habe ich in einem Sketch dieses Zitat etwas abgewandelt: "Freiheit
darf nicht nur die Freiheit des Andersdenkenden sein, nein, das reicht
nicht, Freiheit muß auch die Freiheit des Gleichdenkenden sein!"
Wir wohnen in Deutschland und Europa in dem viel
beschworenen "christlich-abendländischen Kulturkreis". Im
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist noch von "Verantwortung vor Gott und den
Menschen" die Rede, während die Europäische Verfassung von
"kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas" redet. Nicht nur
daran merkt man: Schritt für Schritt werfen wir unseren eigenen Glauben
über Bord, und in dieses Sinnvakuum strömen alle möglichen anderen
"Heils"lehren. Die Freiheit des Andersdenkenden wird über die
Freiheit des Gleichdenkenden gestellt!
Nun gibt es demnächst ein Antidiskriminierungsgesetz,
daß es in vielen Fällen verbietet, Menschen wegen ihrer Religion zu diskriminieren. Auch
ich bin dafür, daß Hindus, Buddhisten, Juden, Moslems und Christen der
unterschiedlichsten Konfessionen ihren Glauben frei ausleben können. Doch
eine Sache macht mir Sorgen: Wie sehr wird Schritt für Schritt die
Meinungsfreiheit eingeschränkt?
- Wir leben heute Gott sei Dank, und das meine ich
wörtlich, in einer Demokratie. Wohl nie hatten wir so viele Freiheiten
wie in dieser Zeit, das gilt insbesondere für die Menschen aus der
ehemaligen DDR. Immer wieder sehen wir Filme über den Holocaust, die Weiße Rose, Hitler. Wir hören von
"Heiligen" wie Dietrich Bonhoeffer, der wegen seiner
Predigten und Taten gegen den Nationalsozialismus ins KZ mußte, wo
er das wunderschöne Lied "Von guten Mächten wunderbar
geborgen" schrieb. Aus der Erfahrung heraus, daß Hitler mit
demokratischen Mitteln (!) an die Macht kam, wurde ins Grundgesetz der
Gedanke der "wehrhaften Demokratie" eingeführt. Dies
bedeutet, daß sich die Demokratie gegen extremistische Feinde zur
Wehr setzen darf und muß! Es gibt auch das Recht zum Widerstand, was
besagt, daß gegen jeden, der die freiheitlich-demokratische
Grundordnung außer Kraft setzen will, Widerstand geleistet werden
darf (Grundgesetz Artikel 20, Abs.4). Dieses Recht kann nicht durch
eine Verfassungsänderung aufgehoben werden! Es sei denn, durch die
Europäische Einigung gibt es eine neue Verfassung.
-
- Doch was hat dies mit Religion zu tun? Nun, auch die
verschiedenen Glaubensformen streben danach, ihre Lehren unverfälscht
zu bewahren. Dies könnte man "wehrhafte Theologie" nennen.
Man spricht in der Regel von Glaubensverteidigung oder Apologetik.
Hierbei soll anhand der Bibel oder bei anderen Religionen anhand deren
heiligen Schriften die "reine Lehre" bewahrt bleiben.
-
- Nun ist es aber so, daß es im Christentum viele
verschieden Strömungen gibt. Fast alle glauben, daß sie das
Evangelium besser verstanden haben als die anderen, manche behaupten
sogar, daß sie das einzig wahre Evangelium predigen. Da es aber nur ein
einziges wahres Evangelium gibt, hat entweder eine einzige oder gare
keine vollkommen recht. Ich persönlich glaube, daß keine Konfession
die Bibel absolut korrekt auslegen kann.
-
- Wenn ein junger Mensch heranwächst, macht er sich in
aller Regel irgendwann Gedanken über den Sinn des Lebens. Und es kann
sein, daß er in dieser Phase auf eine Sekte trifft, die seine Sehnsucht
nach Sinn erfüllt. Wenn nun ein Mensch mit viel Glaubenserfahrung diese
Sekte als "Sekte" bezeichnet, so kann es sein, daß er der Sekte
wegen Beleidigung eine empfindliche Geldstrafe zahlen muß. Dies dürfte
für ihn umso schlimmer sein, muß er doch eine Gruppe unterstützen, von
der er spürt, daß sie Menschen in die Irre führt.
Meiner Meinung nach sollte jedoch jeder die Möglichkeit haben, eine
andere Strömung mit sachlichen Worten (ohne Beschimpfungen und Haß!) als
gefährlich für den Glauben zu bezeichnen. Er muß dies jedoch begründen
können und der Gegenseite ebenfalls das Recht einräumen, mit Argumeten
seine eigene Auffassung in Frage zu stellen!
Wenn Toleranz jedoch bedeutet, daß man vor
gefährlichen Auffassungen anderer Strömungen nicht mehr warnen darf,
dann ist das in etwa so ähnlich, wie wenn man einen Computer ohne
Virenscanner betreibt. Der Virenscanner warnt uns vor gefährlichen Viren.
Nun sind Gedanken so etwas ähnliches wie Viren; sie dringen in einen Wirt
(Computer) ein, programmieren ihn um und veranlassen ihn dazu, das Virus
weiterzuverbreiten.
Genauso wie Antivirenhersteller eine Virenwarnug
herausgeben, so geben Sektenbeauftragte oder einzelne Gläubige Warnungen
vor Sonderlehren heraus. Der Unterschied besteht allerdings darin, daß
man (Computer)viren zweifelsfrei als schädlich erkennen kann, während
Glaubensauffassungen nicht objektiv überprüft werden können.
- Welche Glaubensauffassungen sind nun meiner
Auffassung nach gefährlich? Ich möchte einige allgemeine Beispiele nennen:
- Gefährlich ist es zum Beispiel, wenn eine Gruppe
ihren Mitgliedern den Umgang mit anderen Glaubensgemeinschaften
verbietet, Aussteiger unter Druck setzt, oder wenn sie sich selbst als
den „einzig wahren Weg“ zu Gott und 99 Prozent aller anderen
Christen als „verloren“ bezeichnet.
- Auch halte ich es für kritisch, wenn Kranke nicht
zum Arzt gehen dürfen oder als „nicht wirklich wahre Christen“
bezeichnet werden, wenn sie durch Beten nicht gesund werden. Gefährlich
ist es auch, wenn eine Gruppe ein bestimmtes Dogma als
heilsentscheidend darstellt, also als unbedingt notwendig, um selig zu
werden, obwohl dies nicht in der Bibel steht. Oder wenn eine Gruppe
verschiedene Bibelstellen, die keinerlei Zusammenhang miteinander
haben, zu einem eigenen Weltbild vermengt und daraus z.B. einen
Weltuntergangstermin berechnet. Jesus sagt hingegen, daß niemand Tag
oder Stunde seiner Wiederkunft kennt, außer Gott selbst.
- Manche Gruppen lehren, daß der Gläubige auf ein
Mitglied der Gruppe
angewiesen ist, um zu Jesus zu finden. Die Bibel lehrt jedoch, daß
wir selber direkt zu Jesus beten können, ohne einen weiteren Mittler.
Jesus ist der Mittler zwischen Gott und uns Menschen.
- Besonders aufpassen sollte man, wenn eine Gruppe eine
religiöse Schrift benutzt, die sie als höherwertig im Vergleich zur
Bibel bezeichnet oder ohne die man die Bibel nicht wirklich verstehen
könne.
- Auch Neuoffenbarungen von Geistwesen jeglicher Art
oder Botschaften aus dem Jenseits halte ich in aller Regel für sehr
gefährlich - es mag Ausnahmen geben. Oft bekennen diese Geister die
allermeisten Bibelstellen, aber einige wesentliche Dinge werden
korrigiert oder der Geist stellt sich als genauso wichtig oder gar
wichtiger als Jesus Christus dar. Die Bibel warnt uns jedoch
eindringlich davor, ein anderes Evangelium als das von Jesus Christus
zu predigen.
Martin Wagner, 29.4.2005
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